Lara Obst ist Gründerin und Geschäftsführerin. Ihr Wissen basiert auf jahrelanger Erfahrung in der Forschung und der Zusammenarbeit mit Unternehmen. Ihre Vision: Klimatransformation für Unternehmen erfolgreich und praktisch möglich zu machen. Im Startup-Hub Factory Berlin spricht sie über die Umsetzung dieser Mission und die Hürden, die Unternehmen dabei überwinden müssen.
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THE CLIMATE CHOICE
Yasha Tarani, Lara Obst, Dr. Reyhood Farhan
Wie bist du auf die Idee gekommen, dein Unternehmen zu gründen?
Wenn man sich im Bereich der nachhaltigen Wirtschaft bewegt, fällt einem schnell auf, dass sich Unternehmen von einem Moment auf den anderen als vermeintlich klimaneutral darstellen. Die einzige Möglichkeit dies zu überprüfen, zu positionieren und zu vergleichen ist die Messung klimarelevanter Faktoren.
Unsere Plattform unterstützt Unternehmen bei der Dekarbonisierung, insbesondere in der Lieferkette. Hauptziel der Unternehmensgründung war es, Unternehmen bei der Umsetzung von Klimamaßnahmen bis in die Lieferkette hinein zu unterstützen und dabei volle Transparenz zu schaffen.
Was bedeutet es für dich als Unternehmerin nachhaltig zu wirtschaften?
Für mich war die größte Motivation, in diesem Bereich unternehmerisch tätig zu werden, die Auseinandersetzung mit dem IPCC-Bericht des Weltklimarates während meines Studiums im Jahr 2014. Da wurde mir klar, dass die negativen Auswirkungen der Klimaerwärmung, die wir für das Ende des Jahrhunderts erwartet hatten, schon viel früher eintreten und unser Leben stark beeinflussen werden.
Daher war das Gründen in diesem Bereich für mich ein Herzensthema, um Wissen, was eher in der Forschung verschlossen liegt, in die Wirtschaft zu bringen und dort anwendbar für Unternehmen zu machen. Ich möchte auch zeigen, dass es nicht nur Horrorszenarien in Hinblick auf die Entwicklung unserer Umwelt gibt, sondern durchaus Studien die konkrete Lösungsschritte aufzeigen. Daher bedeutet für mich nachhaltig wirtschaften zunächst die Suche nach Informationen und Lösungen und deren Verfügbarkeit für Unternehmen. Ich möchte als Gründerin ein Teil von einer positiven Veränderung sein.
Deutschland hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2045 treibhausgasneutral zu werden. Welche Rolle und Verantwortung haben deutsche Unternehmen dabei?
Deutschland will seine Emissionen bis 2030 um 65 % und Europa um 55 % gegenüber 1990 reduzieren. Um die nationalen Ziele zu erreichen, müssen die deutschen Unternehmen noch ehrgeiziger sein als der Durchschnitt aller Unternehmen in Europa. Die meisten Emissionen in Unternehmen entstehen in der Lieferkette und hier muss angesetzt werden, um eine deutliche Veränderung zu bewirken. Das deutsche Lieferkettengesetz, das Unternehmen zu mehr Verantwortung in der Lieferkette verpflichtet, hat dem Thema einen großen Schub gegeben. Die Unternehmen müssen sich jetzt gut darauf vorbereiten. Wichtig ist, dass die Verantwortung nicht an der deutschen Grenze endet und sich auch nicht nur auf das eigene Unternehmen bezieht. Eine Herausforderung dabei ist, dass die zukünftigen Anforderungen im Unternehmen gut durchdacht werden müssen und es nicht einfach ist, veraltete Strukturen umzustellen und neue Prozesse zu etablieren. Gerade in großen Unternehmen gibt es z. B. Prozesse, die seit 50 Jahren immer gleich bearbeitet und erledigt werden.
Hier ist ein Umdenken unbedingt erforderlich. Diese Ziele dürfen nicht nur vom Management vorgegeben werden und es dürfen nicht nur kalte KPI’s definiert werden, die es zu erreichen gilt. Es müssen Schulungen und Trainings für die verantwortlichen Mitarbeiter stattfinden, damit die Umsetzung auch machbar und zielführend ist. Für viele Unternehmen klingt das nach einer Mammutaufgabe. Doch mit einem guten Plan und den richtigen Daten lassen sich Fortschritte erzielen und nachverfolgen. Wichtig ist, dass Unternehmen jetzt aktiv werden. Gerade am Anfang dieses Prozesses kann man sich positionieren, Fehler machen, daraus lernen und zum Vorreiter werden. Unternehmen sollten daher jetzt einen wichtigen Schritt tun.
Teil der Zielsetzung ist es, sich mit dem Thema Dekarbonisierung auseinanderzusetzen und sich dazu zu verpflichten.
Was kannst du Unternehmen mit auf den Weg geben, um Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit miteinander zu verbinden?
Um Handlungsempfehlungen zu erhalten und sich mit anderen Unternehmen vergleichen zu können, ist es zunächst wichtig, das Unternehmen einzuordnen und den aktuellen Stand des eigenen Klimareifegrads zu erfassen. Anschließend sollte ein durchdachter Plan erstellt werden. Aus diesem Plan gilt es, Prioritäten zu setzen und diese in machbare Schritte herunterzubrechen.
Es ist unrealistisch zu erwarten, dass ein Unternehmen von heute auf morgen vollständig klimaneutral wird. Dennoch ist es wichtig zu wissen, an welchen Stellschrauben und Aspekten gearbeitet werden muss. Es ist ratsam, sich 2-3 Schritte zu überlegen, um das Ziel zu erreichen. Eine gute Metapher für diesen Prozess ist das Bild einer Leiter, auf der man durch viele kleine Schritte nach oben gelangt.
In welchen Bereichen wurden bereits viele Emissionen reduziert und wo gibt es Nachholbedarf?
Grundsätzlich ist die Zielsetzung ein wichtiger Aspekt. Viele Unternehmen haben zwar das Ziel vor Augen, aber oft fehlt ein konkreter Plan, wie die gesetzten Ziele erreicht werden sollen. Teil der Zielsetzung ist es auch, sich mit dem Thema Lieferkette auseinanderzusetzen und sich zur Dekarbonisierung dieser zu verpflichten, denn hier entstehen typischwerweise 90% der Emissionen. Weltweit entfallen 70% der Emissionen auf den Energiesektor, weshalb im Bereich der erneuerbaren Energien bereits große Fortschritte erzielt wurden. Auch die E-Mobilität gewinnt zunehmend an Bedeutung.
Hast du Tipps für unsere Leser:innen, wie sie im Privat- und Arbeitsleben umweltfreundlicher agieren können?
Meine persönliche Erfahrung ist, dass es oft am besten ist, so zu handeln und zu leben, wie man es sich wünscht. Es ist wichtig, andere nicht zu drängen und den Menschen mit Toleranz zu begegnen, miteinander ins Gespräch zu kommen und Lösungen anzubieten.
Ich glaube, dass die Bereitschaft, sich mit bestimmten Themen auseinanderzusetzen, seit “Fridays for Future“ besonders groß ist. Es ist jedoch wichtig, bei sich selbst anzufangen und die eigenen Nachhaltigkeitsziele umzusetzen, da dies auch andere in der Umgebung motivieren kann und dadurch interessante und spannende Diskussionen entstehen können.
Meine persönliche Erfahrung: Es ist wichtig, andere nicht zu drängen und den Menschen mit Toleranz zu begegnen, miteinander ins Gespräch zu kommen und Lösungen anzubieten.