Home » SOZIALE VERANTWORTUNG » Die Retter im Alltag.
SOZIALE VERANTWORTUNG

Die Retter im Alltag.

Fotos: Privat

Wann hast du dich entschieden, Rettungssanitäter zu werden und aus welchen Gründen?

Im Jahr 2014, direkt nach meinem Abitur, entschied ich mich zunächst für ein Soziales Jahr, um die Medizinbranche kennenzulernen, obwohl ich bereits einen Studienplatz in Medizin sicher hatte. Während dieses Jahres im Rettungsdienst und Krankentransport qualifizierte ich mich zum Rettungssanitäter. Schnell wurde mir jedoch klar, dass dies nicht mein dauerhafter Beruf sein sollte, aufgrund der körperlichen Belastung. 2016 begann ich daher mein Studium im Rettungsingenieurwesen, schloss es mit einem Master ab und bin aktuell Doktorand an der Uniklinik der RWTH Aachen. Trotzdem merke ich immer wieder erleichtert zu sein aus dem Krankhausumfeld zu kommen und arbeite doch gerne als Rettungssanitäter, da es mir ermöglicht, schnell Verantwortung zu übernehmen, Menschen direkt zu helfen und einen positiven Unterschied zu machen – auch wenn nicht in jedem Dienst Leben gerettet wird, wird doch in jedem Dienst geholfen.

Luis Teichmann, Rettungssanitäter

Jeder kann helfen und ist in der Lage, Menschenleben zu retten.

@5_sprechwunsch

Wie kann man sich die Arbeit als Rettungssanitäter vorstellen und was ist der Unterschied zu Notfallsanitätern?

Der Notfallsanitäter ist die höchste nichtärztliche Qualifikation in Deutschland, der Rettungssanitäter die zweithöchste. Rettungssanitäter übernehmen auf Krankentransportwagen die Gesamtverantwortung in einem Einsatz. Sie überwachen und betreuen Patienten, insbesondere bei Verlegungsfahrten, während akute Notfälle selten vorkommen. Gelegentlich, in Fällen, bei denen sie nah am Unfallort stehen, arbeiten sie als First Responder, z. B. bei Reanimation oder Kopfplatzwunden, sind jedoch normalerweise für den Transport von Patienten zwischen Krankenhäusern oder zurück ins Altenheim verantwortlich. Dies erfordert die Fähigkeit, in Notfällen angemessen zu reagieren und zu entscheiden, ob zusätzliche Rettungsdienste benötigt werden.

Auf dem Rettungswagen ist der Rettungssanitäter der Teampartner des Notfallsanitäters, nicht nur der „Fahrer“, wie er manchmal betitelt wird. Der Notfallsanitäter fungiert als Transportführer und übernimmt somit die Verantwortung, die der Rettungssanitäter auf dem Krankentransportwagen innehält. Im Team arbeiten beide eng zusammen, doch der Notfallsanitäter trägt letztendlich die Verantwortung und trifft Entscheidungen bezüglich einer angemessenen Therapie und ihrer Umsetzung. Der Rettungssanitäter unterstützt aktiv bei der Umsetzung und soll den Notfallsanitäter auf mögliche Fehler hinweisen, sofern er dazu fachlich qualifiziert ist. Normalerweise ist es jedoch der Notfallsanitäter, der die Patientensituation beurteilt und Anweisungen gibt. Zum Beispiel kann der Notfallsanitäter einen allergischen Schock diagnostizieren, die benötigten Medikamente bestimmen und den Rettungssanitäter anweisen, in welchen Mengen diese zu verabreichen sind. Anschließend ist der Rettungssanitäter dafür verantwortlich, den Patienten sicher ins Krankenhaus zu transportieren.

Wie gehst du mit stressigen und emotional belastenden Situationen um, die in deinem Beruf auftreten können? Was wird angehenden Rettungssanitätern hierfür in der Ausbildung mitgegeben?

Ich glaube, es gibt kein perfektes Rezept, um mit Stress und Emotionen umzugehen. In akuten Situationen funktioniert man oft wie eine Maschine und verarbeitet erst später, wenn man zur Ruhe kommt. Dabei hilft es, sich mit Kollegen auszutauschen und Situationen zu reflektieren, vielleicht auch manchmal mit schwarzem Humor, um die negativen Emotionen positiver zu gestalten. Auch Psychosoziale Unterstützung wird angeboten, oft passiert das nach dramatischen Einsätzen wie einer Reanimation bei einem Kind, automatisch durch die betroffene Leitstelle.

Jeder geht anders damit um. Sport und Lesen können mir meist helfen, um die Gedanken freier zu machen, aber letztendlich ist es wichtig, sich nach solchen Erlebnissen mit sich selbst auseinanderzusetzen und nicht zu verdrängen. Ob dies mit Kollegen oder einem Notfallseelsorger geschieht, bleibt jedem selbst überlassen. In der Ausbildung werden zwar Hilfsangebote besprochen, aber es fehlen oft psychologische Strategien für den Umgang mit akuten Stresssituationen.

Was sind deiner Meinung nach die größten Herausforderungen im Rettungsdienst?

Die steigenden Einsatzzahlen aufgrund des demographischen Wandels stellen uns vor große Herausforderungen. Die wachsende Bevölkerung und die Überalterung bedeuten, dass mehr Menschen krank werden oder aufgrund medizinischer Fortschritte länger mit schweren Krankheiten leben aber auch dauerhaft betreut werden müssen, was z. B. durch häufige Krankenhausfahrten eines Patienten sichtbar wird. Wir müssen Patienten mit chronischen Erkrankungen wie beispielsweise COPD regelmäßig transportieren – manche ein- bis zweimal im Monat. Dies stellt den Rettungsdienst vor langfristige Herausforderungen.

Hinzu kommt, dass es damals oft ein stabiles soziales Umfeld um die Patienten gab, das sich um die Menschen kümmerte – heute sehen wir eine alternde und häufig vereinsamte Gesellschaft. Dadurch werden wir immer häufiger zu Problemlösern und müssen Menschen aus schwierigen Lebenssituationen evakuieren, die kein akutes Leiden haben, sondern altersbedingt nicht mehr allein leben können. Dies stellt eine Herausforderung dar, die nicht immer den Einsatz eines teuren Rettungswagens mit modernster Technik, sondern vielmehr eine Begleitung durch soziales Fachpersonal erfordert.

Zusätzlich leiden wir unter akutem Fachkräftemangel, da die Anzahl qualifizierter Kräfte nicht ausreicht und immer mehr an ihre Grenzen stößt. Wir müssen das System umstrukturieren, um ein vielschichtiges Versorgungsangebot zu schaffen und gleichzeitig echte Notfälle angemessen zu versorgen. Dies erfordert die Einführung mehrerer Versorgungsstufen, wie von der Regierungskommission zur Reform der Notfallversorgung vorgeschlagen, um an möglichst vielen Stellen geeignete Angebote bereitzustellen.

Wie wichtig ist das Ehrenamt für den Rettungsdienst?

Die Notfallrettung ist hauptsächlich von professionellem Personal geprägt. Die Mehrheit der Notfall- und Rettungssanitäter arbeitet in Vollzeit, während ehrenamtliche Kräfte eher im Katastrophenschutz aktiv sind. In besonderen Situationen und bei Großschadenslagen sind ehrenamtliche Einheiten jedoch unverzichtbar, doch der tägliche Einsatz in Großstädten wird hauptsächlich von Vollzeitarbeitern im Rettungsdienst bewältigt. Im Gegensatz zu Berufsfeuerwehren, die viele Freiwillige Feuerwehrleute einbinden, besteht der Rettungsdienst überwiegend aus Vollzeit-Rettungskräften. Das Ehrenamt spielt also eine enorm wichtige Rolle in der Gefahrenabwehr und im Katastrophenschutz, ist jedoch keine Hauptstütze des Rettungsdienstes.

Im Notfall handeln – doch wie geht das? Hast du Tipps wie man sich als Laie in Notfallsituationen richtig verhalten sollte?

Wenn ich auf einer Party erzähle, dass ich im Rettungsdienst arbeite, bekomme ich oft Reaktionen wie „Das könnte ich nicht“ oder „Ich kann kein Blut sehen“. Hier ist meine Überzeugung, dass jeder dazu in der Lage ist, und die vermeintlichen Grenzen, die man sich selbst setzt, überwinden zu können. Sobald man die Rettungsdienstuniform trägt, vor einem Patienten steht und weiß, dass man die einzige Hilfe vor Ort ist, ist man automatisch in der Lage, zu funktionieren und zu helfen. Das ist ein wichtiger Punkt, den ich betonen möchte: Wenn du sagst, „ich könnte das nicht“, glaube ich das nicht, denn du kannst es definitiv.

Dies gilt auch für Notfallsituationen, in die Laien geraten. Es ist entscheidend, Ruhe zu bewahren und sich zu orientieren, auch wenn es schwerfällt. In Deutschland lautet die erste Frage, die man beim Rettungsdienstanruf erhält, immer: „Notruf – Feuerwehr und Rettungsdienst, in welcher Stadt ist der Notfallort?“ Das bedeutet, dass ein Ersthelfer wissen muss, wo er sich mit dem Verletzten befindet. Nachdem man den Ort genannt hat, wird der Rettungsdienst aus der zuständigen Leitstelle entsandt, und gleichzeitig erhält man telefonische Anweisungen zur Ersten Hilfe. Wenn beispielsweise eine bewusstlose Person gefunden wird und der Notruf gewählt wird, leitet der Disponent den Ersthelfer telefonisch an, wie er reagieren soll, einschließlich einer Telefonreanimation. Das bedeutet, dass man sich als Anrufer keine Sorgen machen muss, denn selbst in stressigen Situationen hat man stets telefonische Unterstützung und Anleitung. In der Regel dauert es nicht lange, bis die ersten Rettungskräfte eintreffen und die Versorgung übernehmen.

Als Ersthelfer ist es wichtig, Ruhe zu bewahren, den telefonischen Anweisungen zu folgen und im Wesentlichen dasselbe zu tun wie professionelle Rettungskräfte: zu handeln. Jeder kann das, jeder in der Lage ist zu helfen und Menschenleben zu retten.

Nächster Artikel