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NACHHALTIG BAUEN

„Menschen wollen nicht wohnen, Menschen wollen leben!“

Foto: SA Tiny Foundation

Wie kann nachhaltiger und vor allem bezahlbarer Wohnraum in der Stadt geschaffen werden? Und wie viel Raum brauchen wir zum Leben? Im Interview mit Architekt Van Bo Le-Mentzel sprechen wir über das Konzept der Tiny Houses und über das Wohnen der Zukunft.

Mit den 100 Euro Wohnungen wurde ein Konzept entwickelt, welches das Wohnungsproblem in Städten angeht. Wie kam es dazu und wie kann man sich das Konzept vorstellen?

Es ist ein Versuch in Deutschland die Diskussion um leistbaren Wohnraum zu unterstützen. Die, die neu bauen, stehen vor der Herausforderung Wohnung zu bauen, die günstiger sind als 500 Euro im Monat. Aber es gelingt einfach nicht.
Ich habe überlegt, wie man das schaffen kann. Wohnen ist zwar eine individuelle Geschichte, aber funktioniert nur in einer Gemeinschaft. Wohnen darf niemals als abgeschlossene Zelle gesehen werden.
Wir planen immer ein Konzept für Gemeinschaft. Dieser gemeinschaftliche Raum steht im Zentrum. Die kleineren Rückzugsräume sind dann für den individuellen Gebrauch. Und davon die kleinste Variante ist so konzipiert, dass sie 100 Euro warm im Monat kosten würde. Foto: CC-BY SA Tiny Foundation


Fotos: SA Tiny Foundation

In wie weit treiben soziale Aspekte ihre Ideen und Projekte voran?

Wir kennen ja das Phänomen, dass Witwen allein in ihren großen Wohnungen sterben. Es gibt eine Vereinsamung in den Städten. Da spielt die Größe der Wohnung keine Rolle.
Das ist immer in Zusammenhang mit der Nachbarschaft. Wie gestaltet man eine Haus oder eine Straße, wo es möglich ist, dass Menschen sich begegnen, aber noch genug Rückzugsraum für sich haben. Dahinter steckt eine tiefsoziale Idee. Jeder Mensch verdient einen Rückzugsraum.
In Co-Being Häusern hat jeder Mensch seine eigene Küche und sein eigenes Bad, aber trotzdem einen Gemeinschaftsraum.
Wir müssen beim Bauen Verantwortung übernehmen für unsere Ressourcen. Wir können nicht weiterbauen, wie wir die letzten 50 Jahre gebaut haben und unseren Flächenverbrauch überdenken.

Was bedeutet für Sie nachhaltiges Bauen?

Gar nicht Bauen! Der Neubau schafft keine günstigen Wohnung. Es geht darum was wir bauen, nicht wie wir bauen. Es gibt so viel Leerstand. Nicht nur in Ruinen, auch zeitweise in Büros beispielsweise. Wir müssen lernen, mit öffentlichem Raum umzugehen.
Ich kann mir gut vorstellen Straßen zu nutzen, um mindestens temporär dort Wohnraum zu erschaffen.

Wie sieht das Bauen der Zukunft aus?

Wir werden eine Regelung finden, die nicht über das Kapital läuft. Vermögen und Herkunft werden nicht mehr allein ausschlaggebend sein. Ungerechtigkeiten auf der Welt gehen nicht ungestraft an Europa vorbei.
Ich denke unversiegelte Flächen, wie der Regenwald, sollen ewig gesichert werden. Das Bauen muss dort verboten werden. Und wir konzentrieren uns auf die Flächen, die schon versiegelt sind.
Und wir sollten uns fragen, wer braucht wirklich viel Platz? Menschen die pendeln benötigen keine riesige Wohnung. Man sollte Wohnraum nach den Bedürfnissen nicht dem Kapital ausrichten.
Ein Drittel der Weltbevölkerung braucht gar keine feste Wohnung. Diese Menschen fühlen sich an anderen Orten mehr zu Hause als in der eigenen Wohnung. Wir müssen da zu gerechteren Verteilungen kommen.

Was ist das bisher spannendste Projekt gewesen?

Die kleinen temporären Dörfer, die wir errichten, sind wohl mit die spannendsten. Also die Tiny Villes. Dort klären sich Fragen wie, wer darf eigentlich in einer Stadt wohnen? Braucht man einen Zaun? Da habe ich gemerkt, dass ich zuvor sehr naiv war in manchen Dingen.
Menschen brauchen einen Safe Space. Das habe ich im Lauf des Projekts gelernt. Sie brauchen einen Zaun und damit das Sicherheitsgefühl, dass sie klar abgegrenzt werden zwischen privat und öffentlich.
Das Sharing-Caring-Prinzip ist wichtig. Selbst bei den kleinen Tiny Houses. Dort gibt es einen Bereich, der für sich selbst ist und einen der auch von anderen genutzt werden kann.
Menschen wollen nicht wohnen, Menschen wollen leben! Leben ist alles was den Menschen betrifft. Wohnen ist ja quasi nur Schlafen und Essen.

Gibt es klare Prinzipien, wonach sie leben?

Wenn ich etwas kann oder besitze, habe ich Verantwortung. Das darf ich mir nicht nur selbst zu Nutze machen. Wie bei den Hartz IV-Möbeln. Da habe ich mein Wissen im Internet geteilt, so dass jeder, der möchte, etwas davon hat.
Wie bei den Hartz IV-Möbeln. Da habe ich mein Wissen im Internet geteilt, so dass jeder, der möchte, etwas davon hat.
Wenn alle das so machen würden, hätten wir eine neue Welt.

INFORMATION

Hier erfahren Sie mehr zur Arbeit der Tiny Foundation!

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