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Home » SOZIALE VERANTWORTUNG » Wir sind Desinformation nicht ausgeliefert
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Desinformation verbreitet sich rasant über Social Media – und setzt unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt unter Druck. Doch Desinformationen sind kein reines Technologieproblem. Weil die Ursachen vielschichtig sind, braucht es ebenso vielfältige Gegenmaßnahmen: von Medienbildung im Alltag bis hin zu politischer Regulierung.

81 Prozent der Menschen in Deutschland sehen in Desinformationen eine Gefahr für die Demokratie und den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Doch was genau gilt als Desinformation – und wie wirkt sie? Welche Folgen hat sie für das Vertrauen in Medien und Politik? Und vor allem: Wie lässt sich ihre Verbreitung begrenzen?

Franziska Busse

Referentin Digitale Ordnungspolitik der Heinrich-Böll-Stiftung

Was sind Desinformationen?

Die Absender*innen von Desinformationen haben das Ziel, die Öffentlichkeit bewusst zu täuschen und zu manipulieren – etwa um öffentliche Diskurse zu beeinflussen und politische Interessen durchzusetzen. Ein zentrales Motiv ist, das Vertrauen der Bevölkerung in die Medienberichterstattung und in gemeinsam geteilte Fakten und Wahrheiten zu untergraben. Das schwächt die demokratischen Strukturen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Wahre Informationen oder Fakten werden aus dem Kontext gerissen, Teilaspekte einer an sich wahren Geschichte geändert oder Informationen ganz neu erfunden. Damit eine falsche Information als Desinformation gilt, ist die dahinterstehende Täuschungsabsicht ausschlaggebend.

Neue KI-Anwendungen können die Verbreitung von Desinformationen vereinfachen: Mithilfe von KI-Tools lassen sich ohne viel Vorwissen und mit wenig Aufwand und Kosten Texte, Bilder und Videos erstellen. Desinformationskampagnen mit manipulativen Bildern und Videos gibt es aber nicht erst, seitdem KI-Anwendungen auf dem Markt sind. Oft werden echte Bilder oder Videos einfach nur aus dem Kontext gerissen oder mit herkömmlichen Tools abgeändert.

Wer teilt Desinformationen?

Desinformationskampagnen verbreiten einerseits andere Staaten, um Gesellschaften zu destabilisieren – und sind damit Teil von sogenanntem „FIMI – Foreign Information Manipulation and Interference“. Die russische Desinformationskampagne „Doppelgänger“ hatte in Deutschland etwa das Ziel, rechtsextreme Kräfte zu stärken, Zukunftsängste zu verstärken, die Unterstützung für die Ukraine zu verringern und somit den sozialen Zusammenhalt zu schwächen. Dazu wurden gefälschte Nachrichten auf Webseiten, die existierende Medienangebote nachahmten, veröffentlicht und gefälschte Inhalte auf Social-Media-Plattformen geteilt.

Auch inländische Akteur*innen wie Parteien, Organisationen oder Einzelpersonen verbreiten Desinformationen. Zur Frage, wer Desinformationen erstellt und teilt, ist allerdings mehr Forschung nötig – vor allem Untersuchungen zu inländischen Akteur*innen sind in der Wissenschaft unterbeleuchtet.

Die Rolle von Social Media

Die Geschäftsmodelle der großen Social-Media-Plattformen wie Instagram, TikTok, YouTube und X begünstigen, dass sich Desinformationen und digitale Propaganda schneller verbreiten als seriöse Informationsangebote. Hinzu kommt der Schulterschluss der Big-Tech-Oligarchen mit der Trump-Regierung und deren autoritäre politische Ausrichtung. Instagram und Facebook haben in den USA etwa ihr Fact-Checking- Programm eingestellt. Elon Musk steht mit seiner Plattform X in der Kritik, im Vorfeld der Bundestagswahlen im Januar 2025 gezielt Desinformationen geteilt und sich zugunsten von Rechtsaußen in den Wahlkampf eingemischt zu haben.

Die Auswirkungen von Social-Media-Plattformen in Hinblick auf die gesellschaftliche Polarisierung und die Meinungsänderungen von Nutzer*innen werden in der Öffentlichkeit jedoch teilweise überschätzt. Gleichzeitig wird die Rolle von traditionellen Medien bei der Verbreitung von Desinformationen eher unterschätzt: Große Reichweite erzielen manipulative Inhalte vor allem dann, wenn über sie in seriösen Medien berichtet wird.

Menschen haben eigene Entscheidungsmacht

Menschen ändern nicht sofort ihre Meinung, nur weil sie eine manipulative Information gesehen oder gelesen haben. Personen sind keine passiven „Opfer“ von Desinformationen, sondern aktive Gestalter*innen ihres eigenen Medienkonsums: Sie können – in Ländern mit Pressefreiheit – selbst entscheiden, welche Medienangebote sie konsumieren und ob sie Nachrichten vor allem auf Social-Media-Plattformen und in Telegram-Gruppen oder in der Mediathek des öffentlich-rechtlichen Rundfunks konsumieren. Auch eine Studie von Nature zeigt, dass Menschen, die Desinformationen besonders häufig konsumieren, stark motiviert sind, solche manipulativen Informationen zu suchen.

Gemeinsam gegen Desinformation

Desinformationen sind kein isoliertes Technologieproblem, sondern können als Symptom sowie Verstärker tieferliegender Krisen verstanden werden – wie fehlendem Vertrauen in die Politik, in den Qualitätsjournalismus oder in das demokratisch verfasste System und den Rechtsstaat. Daher ist es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, gegen Desinformationen vorzugehen.

Es braucht eine Vielzahl von Strategien und Maßnahmen, um die Verbreitung von Desinformationen einzudämmen.

Dazu zählen Medienbildung und politische Bildung. Menschen müssen darin unterstützt werden, vertrauenswürdige Informationen zu erkennen. Das ist nicht nur in der Verantwortung von Schulen, sondern auch eine Aufgabe für Vereine, Betriebe oder Familien. Hierfür braucht es staatliche Fördergelder sowie praxisnahe Unterstützung und Aufklärung für alle Beteiligten.

Außerdem ist die Förderung von Qualitätsjournalismus und insbesondere Lokaljournalismus als „lokales Bollwerk“ gegen Desinformationen notwendig. Denn seriöse, vertrauenswürdige Medienangebote bilden die Grundlage für einen faktenbasierten Diskurs und Medienkompetenzförderung.

Ein weiterer Aspekt ist die Plattformregulierung, die auf der europäischen Ebene seit Jahren verfolgt wird. Mit dem Digital Services Act (DSA) will die Europäische Union (EU) die Macht großer Online-Plattformen wie YouTube, TikTok, Facebook oder Instagram bändigen. Große Plattformen sind verpflichtet, algorithmische Risiken zu prüfen, Transparenz über Inhalte und Moderation herzustellen und unabhängige Forschung zu ermöglichen. Außerdem können Nutzer*innen illegale Inhalte melden. Damit verbietet der DSA Desinformationen zwar nicht direkt – denn meistens sind Desinformationen keine rechtswidrigen Inhalte – doch die Maßnahmen können die Verbreitung von Desinformationen indirekt eindämmen.

Zuletzt können alternative Infrastrukturen und Plattformen wie zum Beispiel Wikipedia oder Mastodon helfen, denn wir brauchen digitale Räume, die dem Gemeinwohl und keinen politischen oder kommerziellen Interessen unterliegen.

Das sind nur ein paar der vielen Möglichkeiten, um gegen Desinformationen vorzugehen. Sie reichen von großen politischen Vorhaben bis hin zu kleinen Interventionen im Privatleben. Es ist die Verantwortung von uns allen, gemeinsam gegen Desinformationen vorzugehen und so den sozialen Zusammenhalt zu stärken.

Das ganze Dossier zu Strategien gegen Desinformationen und digitale Propaganda finden Sie hier:

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