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GREEN LIFESTYLE

„Der erste Schritt ist immer, sich seinen Konsum bewusst zu machen“

FOTO: LAURA_HOFFMANN

Mit ihrem neuen Podcast wollen Gründerin Louisa Dellert und Journalist Markus Ehrlich den Klimaschutz stärker ins Bewusstsein rufen und über soziale Missstände aufklären. Im Interview sprechen sie darüber, wie wir gemeinsam auf ein besseres Morgen hinarbeiten können.

Was bedeutet soziale Verantwortung für euch und wie sieht diese im Alltag oder von unternehmerischer Seite aus?

Markus: Ich definiere soziale Verantwortung für mich als „aufeinander schauen und einander wertschätzen“. Das hat natürlich super viele Facetten, weil wir Menschen ja total unterschiedliche Möglichkeiten haben, es in unserer Lebenswirklichkeit umzusetzen. In meinem Fall ist es so: Ich arbeite als Journalist und habe dadurch die Möglichkeit, Menschen sichtbar zu machen, die keine riesige Lobby haben. Ich rede mir ein, dass es einen positiven Impact hat, wenn möglichst viele Leute solche Geschichten hören und sie im besten Fall weitererzählen. Ich denke, man muss nicht zwingend Journalist:in sein, um das so ähnlich auch zu machen. Wenn jemand beispielsweise ein berührendes Porträt über eine Person, die eher am Rand unserer Gesellschaft steht, in der Zeitung liest und davon dann Freund:innen oder Verwandten erzählt, steigt die Reichweite und damit vielleicht das Bewusstsein für diese Lebensrealität mit all ihren Schwierigkeiten.

Lou: Das ist bei mir ähnlich. Ich sehe es mit meiner Reichweite auf Plattformen wie Instagram, TikTok oder LinkedIn schon auch als meine Aufgabe, Menschen sichtbar zu machen, die dieses Privileg nicht haben. Ich habe deswegen in der Vergangenheit schon mehrfach meinen Instagram-Account Aktivist:innen zur Verfügung gestellt, also sogenannte Takeover organisiert. Die Aktivist:innen konnten dann für eine bestimmte Zeit meinen Account nutzen und darüber mit ihrem Content meine Follower:innen erreichen. So haben viele Menschen von den Missständen erfahren, auf die die Aktivist:innen aufmerksam machen wollten.

Mit welchen Themen befasst ihr euch hauptsächlich? Welche Projekte/ Schwerpunkte liegen euch zurzeit besonders am Herzen?

Lou: Ich spreche auf meinen SocialMedia-Accounts schon seit Jahren über das Thema Nachhaltigkeit. Die Klimakrise spitzt sich immer weiter zu und ich habe schon das Gefühl, dass sich immer mehr Menschen der Tragweite des Problems bewusst werden und ihr Handeln konsequenter umstellen. Das finde ich super, habe aber gleichzeitig immer noch oft das Gefühl, dass das Thema Umweltschutz noch in der „grünen Bubble“ steckt und nicht so richtig im Mainstream ankommt. Ich habe mich oft gefragt, woran das liegt, und für mich als Kern des Problems identifiziert, dass viele Leute von dem Thema einfach genervt sind – auch weil es oft mit erhobenem Zeigefinger vorgetragen wird. Du sollst kein Fleisch essen, du sollst nicht in den Urlaub fliegen usw. Ich habe mir vorgenommen, mit meiner Community über Nachhaltigkeit zu sprechen, ohne die Menschen damit zu nerven.

Nachhaltigkeit ist ein wichtiges Thema und seit den letzten Jahren wird auch viel darüber gesprochen (nicht zuletzt auch durch die Fridays-for-Future-Bewegung). Auch ihr habt im Mai dieses Jahres einen gemeinsamen Podcast „Climate Crime“ für mehr Awareness gestartet. Welche Inhalte stehen hier im Mittelpunkt?

Markus: „Climate Crime“ ist ein TrueCrime-Podcast, der sich ausschließlich mit Umweltverbrechen beschäftigt. Klimakatastrophe meets True Crime ist unser Slogan. Das heißt, Lou und ich sprechen in den Folgen über Verbrechen an Mensch, Tier und Natur. Das Themenspektrum geht dabei von vergifteten Weltmeeren durch Mineralöl-Imperien über versklavte Kinder auf Kakaoplantagen bis hin zur skrupellosen Welpen-Mafia, die sich am Leid von Tausenden Hunden eine goldene Nase verdient. Unser Ziel mit dem Podcast ist es, diese Themen raus aus der grünen Nische, von der Lou gerade gesprochen hat, zu holen und in den Mainstream zu verschieben. Wir wollen vor allem Menschen erreichen, die sich der Klimakrise zwar bewusst sind, sich bisher aber noch nicht so richtig intensiv damit befasst haben. Dabei ist uns besonders wichtig, nicht mit der Moralkeule zu kommen und den Leuten ein schlechtes Gewissen einzureden. Im Gegenteil: Wir kämpfen ja selbst in unserem Alltag damit, wirklich nachhaltig zu leben, und – ganz ehrlich – scheitern auch immer wieder daran. Weil es eben gar nicht so leicht ist, sich Gewohnheiten abzugewöhnen, die sich jahrzehntelang eingeschlichen haben in den eigenen Alltag.

Lou & Markus

@louisadellert
@climatecrime_podcast

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Auch wenn viel über Nachhaltigkeit gesprochen wird, hapert es oft noch an der Umsetzung. Was können wir konkret tun, um auch so zu leben, und welchen Beitrag leistet ihr z.B. schon?

Lou: Wir probieren, so nachhaltig wie möglich zu leben. Das heißt, wir versuchen, so gut es geht, auf Fleisch und andere tierische Produkte zu verzichten, die Bahn zu nehmen statt Auto oder Flugzeug, Müll zu vermeiden und, wenn er sich nicht vermeiden lässt, ordnungsgemäß zu trennen, weniger Klamotten zu kaufen und die, die man schon hat, lange zu tragen, und all die anderen Dinge, die man tun kann. Aber, wie Markus schon gesagt hat, wir strugglen damit auch immer wieder. Ich glaube, der erste Schritt ist immer, sich seinen Konsum bewusst zu machen und wirklich immer wieder darüber zu reflektieren. Mir hilft es immer, wenn ich mir die Frage stelle: Brauche ich das jetzt wirklich? Muss ich das jetzt wirklich machen? Oder geht’s nicht vielleicht auch anders, weniger umweltschädlich.

Markus: Ich denke auch, dass es utopisch ist, dass wir jetzt alle von null auf 100 die Vorzeigeklimaschützer:innen werden. Was wir aber machen können, ist, uns auf den Weg zu machen. Wir können Stück für Stück anfangen, nachhaltiger zu leben. Und ich kann zumindest für uns sagen, dass das auch Spaß machen kann. Es ist cool, sich in die Thematik reinzufuchsen und zu sehen, dass der eigene negative Impact auf die Umwelt zumindest kleiner wird. Klar ist aber auch, dass es zu kurz gesprungen ist, das Problem auf uns einzelne Menschen abzuwälzen. Es ist schön und gut, dass Lou und ich keine Plastiktüten mehr verwenden oder beim Brötchenholen wiederverwendbare Stofftaschen bei uns tragen – die großen Hebel müssen Politik und Industrie umlegen.

Wie unterscheidet man „richtige“ Nachhaltigkeit von Greenwashing und was sollte passieren, damit es für Verbraucher:innen einfacher wird, den Unterschied zu erkennen?

Markus: Ich habe das Gefühl, dass immer mehr Menschen bewusster konsumieren und einen recht guten Blick dafür entwickelt haben, ob Produkte beziehungsweise Unternehmen wirklich nachhaltig sind oder ob gerade eine Marketingabteilung versucht, ihnen einen Bären aufzubinden. Ich würde den Unterschied zwischen echter Nachhaltigkeit und Greenwashing so erklären: Beim Greenwashing beschränken sich die Bemühungen eines Unternehmens aufs Marketing. Das heißt, es wird mit Nachhaltigkeit geworben, obwohl es keine gibt. Echte Nachhaltigkeit geht viel tiefer. Für mich bedeutet es: Unternehmen überlegen wirklich, wie sie ihre Lieferketten und Produktionsprozesse so optimieren können, dass die negativen Auswirkungen für Mensch, Tier und Natur weniger gravierend sind.

Lou: Ich achte beim Einkaufen auf Siegel. Die sind ein recht gutes Hilfsmittel, mit dem man schnell rausfinden kann, wie nachhaltig ein Produkt hergestellt worden ist. Klar, zugegebenermaßen gibt es super viele Siegel und man kann da auch schnell mal den Überblick verlieren. Wenn man aber mal für sich die drei, vier wertvollen identifiziert hat, dann geht’s im Supermarkt schnell und das eigene Gewissen ist rein oder zumindest reiner.

Heutzutage haben Influencer eine Followergemeinschaft und Reichweiten auf Social-Media-Kanälen, die teilweise größer sind als gesamte Großstädte. Welche Verantwortung tragen diese eurer Meinung nach gegenüber unserer Gesellschaft? Wie seht ihr das als „Sinnfluencer“?

Ich probiere, mit meinen Inhalten auf sozialen Netzwerken zum Nachdenken anzuregen und Menschen dazu zu animieren, sich einzumischen. Louisa Dellert

Lou: Ich mag den Begriff Sinnfluencer nicht. Für mich schwingt dabei immer mit, dass Influencer, die es nicht zum Status eines Sinnfluencers gebracht haben, irgendwie weniger wert sind. Ich selbst würde mich deswegen auch nie so bezeichnen. Ich stimme der These aber inhaltlich zu: Wenn du große Reichweite hast, hast du auch große Verantwortung. Ich bin mir dessen bewusst und probiere deswegen, so gut es geht, mit meiner Reichweite was Gutes zu tun. Seien es die vorhin angesprochenen Instagram-Takeover durch Aktivist:innen oder einfach die Themen, die ich anspreche. Ich probiere, mit meinen Inhalten auf sozialen Netzwerken zum Nachdenken anzuregen und Menschen dazu zu animieren, sich einzumischen …

Markus: … und das machst du sehr, sehr gut, finde ich.

Welche Tipps könnt ihr unseren Lesern an die Hand geben für ein besseres Morgen?

Lou: Ich glaube, mit das Wichtigste ist, was Markus am Anfang des Gesprächs gesagt hat: dass wir aufeinander schauen und einander wertschätzen. Es sind verrückte Zeiten, in denen wir gerade leben. Eine Krise jagt die nächste und man weiß gar nicht mehr so richtig, mit welchen schlimmen Nachrichten man sich zuerst befassen soll. Ich finde, wir sollten im Kleinen versuchen, einander mit Wertschätzung zu begegnen und Verständnis füreinander zu zeigen. Sei es an der Supermarktkasse durch ein Lächeln oder einfach durch richtig gutes Zuhören, wenn’s jemandem aus dem eigenen Umfeld gerade schlecht geht.

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