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SAVE THE PLANET

“Es gibt einfach Dinge, bei denen macht ein Kompromiss keinen Sinn.“ – Jasmina Neudecker im Interview

Foto: Presenterin Jasmina Neudecker
©Holger Pooten, getty; iStock / [M] Serviceplan

Jasmina Neudecker ist Diplom-Biologin und Wissenschaftsjournalistin. Seit einem Redaktionsvolontariat beim ZDF, arbeitet sie in der Redaktion Naturwissenschaft und Technik, moderiert in der Terra X Reihe und hostet das Format Terra Xplore. Im Interview sprechen wir mit ihr über die Auswirkungen des Klimawandels.

Welche Auswirkungen hat der Klimawandel auf die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt?

Die Weltgesundheitsorganisation bezeichnet die Klimakrise als die größte Gesundheitsbedrohung für die Menschheit. Das ist so, weil die Klimakrise einen heftigen Einfluss auf unsere Gesundheit auf verschiedenen Ebenen hat: Da sind zum Beispiel die Extremwetterereignisse, die uns bedrohen und zunehmen, da ist das Problem der Hitze, die heute schon viele Todesopfer pro Jahr fordert, da ist das Problem der Wassersauberkeit und -verfügbarkeit, der Luftqualität, der Sicherstellung der Ernährung bei Dürren und Überflutungen. Aber damit hört es ja nicht auf – da wäre noch die Zunahme und Ausbreitung von Krankheitserregern, von Pandemien, die wahrscheinlicher werden. Das Problem bei der Klimakrise ist eben, dass sie unsere Lebensgrundlage – unsere Umwelt –bedroht und verändert, und zwar so schnell, dass eine Anpassung schwierig bis unmöglich ist. Rein physisch und physikalisch gibt es Limits dessen, was wir zum Beispiel an Hitze und Luftfeuchtigkeit noch überleben können. Gleichzeitig ist die Anpassung für die Flora und Fauna in dieser Geschwindigkeit eben auch ein Problem, was zu dem Ausmaß an Artensterben führt, wie wir es schon jetzt beobachten müssen. Wenn wir uns nach den Auswirkungen auf die Umwelt fragen, dann müssen wir, glaube ich, immer wieder begreifen: In unseren Ökosystemen ist alles miteinander verbunden – wie ein Netzwerk. Wenn man nur einen wichtigen Faden durchschneidet, weil zum Beispiel eine Art verloren geht, dann kann das Alles beeinflussen.

Heute zum internationalen Tag des Waldes, muss ich natürlich auch an die Wälder der Erde denken, die nicht nur große CO2 Speicher sind, sondern aus denen auch ein Großteil unserer Wirkstoffe von Medikamenten stammt und die unsere grüne Lunge sind. Und die auch von der Klimakrise bedroht sind und beispielsweise Waldbränden zum Opfer fallen. Und das führt mich auch zu den Auswirkungen der Klimakrise auf unsere psychische Gesundheit. Es ist nämlich nicht nur so, dass man zum Beispiel beobachten kann, dass sich Menschen bei Hitze aggressiver verhalten – und Hitzewellen werden zunehmen – sondern wir wissen auch um die Wichtigkeit der Natur für unsere mentale Gesundheit.

Bestimmt habt ihr selbst das schon oft erlebt: ein Spaziergang im Wald tut uns gut. Und das ist auch wissenschaftlich nachweisbar so. Es gibt also einen ganzen Strauß voll Gründe, aus denen wir unsere Wälder und unsere gesamte Umwelt schützen und die Klimakrise bekämpfen sollten. Unsere eigene Gesundheit hängt jedenfalls stark davon ab.

Welche Rolle spielen Medien und Journalismus bei der Vermittlung von wissenschaftlichen Erkenntnissen und dem Bewusstsein für den Klimawandel?

Jasmina Neudecker
Diplom-Biologin und Wissenschaftsjournalistin, Terra X Moderatorin, Host von Terra Xplore, Co-Host bei Terra X – Lesch & co

Foto: © Frank Luebke

Ich denke, dass sie schon eine entscheidende Rolle spielen, aber gleichzeitig keine ganz leicht auszufüllende. Worüber wir als Wissenschaftsjournalisten oft diskutieren, ist die richtige Balance zu finden. Denn einerseits ist es unsere Aufgabe, ein Bewusstsein zu schaffen – auch für die Schwere der Konsequenzen. Andererseits müssen wir aber auch Formate, Filme und Beiträge machen, die die Menschen sehen wollen. Denn ohne jemanden zu erreichen, kann man auch kein Bewusstsein schaffen. Nur, manchmal ist es eben nicht schön, sich mit der Schwere der Klimakrise als Zuschauender auseinanderzusetzen. Das verstehe ich auch.

Und dann kommt noch etwas Drittes hinzu: Wir brauchen ja auch den Fokus auf Lösungsansätze. Denn aus der Neurobiologie wissen wir: Wenn die Aufgabe immer wieder als unlösbar erscheint, verfallen wir in eine Art gelernte Hilflosigkeit und unsere Motivation, etwas zu ändern und beizutragen, sinkt. Und das ist nun auch nicht das, was uns weiterhelfen kann. Die Frage ist also: Wie erfüllen wir unsere Aufgabe so, dass nicht alle nur genervt davon sind, sondern Lust haben, etwas zu tun? Wie vermitteln wir das Bild, ohne zu dramatisieren oder zu banalisieren? Wie zeigen wir Lösungsansätze im Kleinen auf, ohne so zu tun, als wäre es keine Katastrophe, wie es in Teilen in Bezug auf die Klimakrise gerade insgesamt läuft? Wie stellen wir das deprimierende Bild realistisch dar und lassen gleichzeitig Luft für Hoffnung? Es ist eine Herausforderung.

Wie gehst du als Wissenschaftsjournalistin mit der Herausforderung um, komplexe wissenschaftliche Konzepte und Erkenntnisse einem breiten Publikum zugänglich zu machen?

Ich sag mal so: an guten Tagen erfreue mich daran, wie es mich herausfordert…an schlechten Tagen seufze ich laut, reibe mir die Augen und fang nochmal von vorn an.

Ich bin auch Naturwissenschaftlerin, weil ich so verdammt neugierig bin und gern andauernd Neues lerne und das kann man in dem Job tatsächlich super gut. Denn der Witz ist ja: gerade bei der Aufgabe, etwas Komplexes einfach zu erklären, lernt man selbst auch nochmal mehr darüber.

Wenn ich selbst es geschafft habe etwas so gut zu verstehen, dass ich es ohne Umwege und mit den richtigen Abkürzungen zum Ziel schaffe – nämlich es jemandem begreiflich zu machen, der davon noch nichts gehört hat und der auch nur die Quintessenz braucht, um einen gewissen Kompass in der Frage zu haben – dann erst habe auch ich es richtig begriffen. Der festen Überzeugung bin ich mittlerweile.

Denn wenn man etwas auf das simpelste Bild runterbrechen muss, dann muss man sich sehr sicher sein, was der Kern der Sache ist. Außerdem bin ich ja auch ein großer Fan davon, meine eigene Begeisterung für ein Thema oder die eines Forschenden mitzuvermitteln. Ich glaube das darf nicht hinten runterfallen und das hilft dann auch etwas Komplexes zu verstehen.

Welche Rolle spielen Regierungen und internationale Organisationen bei der Förderung von Klimaschutzmaßnahmen, und wo siehst du mögliche Verbesserungspotenziale?

Die Rolle von Regierungen müsste es sein, die selbstgesteckten und demokratisch gewollten Ziele (eine Mehrheit der Bevölkerung will ja Klima- und Naturschutz) auch konsequent anzupacken und umzusetzen. Genau da sehe ich auch noch Luft nach oben. Es gibt einfach Dinge, bei denen macht ein Kompromiss keinen Sinn. Zum Beispiel wenn es um unsere Lebensgrundlage geht.

Durch deinen Beruf hast du bereits viele Landschaften und Orte erkundet. Welches Projekt ist dir bisher am positivsten in Erinnerung geblieben und bei welchem waren die Folgen des Klimawandels deutlich erkennbar?

Positiv fallen mir Projekte rund um die Wiedervernässung von Mooren ein. Bei einem hat eigentlich ein Unfall (ein Dammbruch) dazu geführt, dass wieder Wasser in das trockengelegte Gelände geflossen ist. Man hat es so belassen und innerhalb kürzerer Zeit, als selbst Fachleute es für möglich gehalten hätten, hat sich die Natur regeneriert und das Biotop ist zu dem geworden, was es einmal war. Auch beeindruckt hat mich die Forschung zu Paludikultur. Paludikultur ist die land- und forstwirtschaftliche Nutzung nasser Moorstandorte. Moore binden CO2 , wenn sie nass sind und setzten CO2 frei, wenn sie trockengelegt wurden.

Wenn Moore wiedervernässt werden, sind sie für die herkömmliche landwirtschaftliche Nutzung nicht mehr geeignet. Die Paludikultur ermöglicht es, diese nassen Moorflächen zu nutzen, damit Landwirte diese weiter bewirtschaften und damit Geld verdienen können. Zum Beispiel kann man dort Torfmoose als Torfersatz anbauen. Ich finde das deshalb so wichtig, weil es beim Klimaschutz eben auch darum gehen muss, dass wir die Lebensgrundlage für uns alle bewahren, aber gleichzeitig auch die Nöte der Einzelnen im Auge haben. Tja, und wo die Folgen besonders schlimm waren? Lasst uns sprechen über Feuer und Eis in Deutschland. Ich denke an den Permafrost in den Alpen, der taut, sodass der Kitt, der die Berge im Inners-ten zusammenhält, verloren geht. Und ich denke an das Bild von verbrannten Baumstümpfen in Brandenburg. Nach einem Waldbrand sieht so eine Fläche aus, als wäre alles Leben rausgesaugt. Es ist still, keine Vögel, kein Rascheln im nicht vorhandenen Unterholz – nur die schwarze Asche und der Staub unter den Füßen und verbrannte Stämme, die wie Mikadostäbe übereinander liegen. Waldbrände werden auch in Deutschland durch die Klimakrise häufiger.

Welche Hoffnungen und Erwartungen hast du für die Zukunft des Klimaschutzes, und welche dringenden Maßnahmen müssen jetzt ergriffen werden, um eine positive Veränderung zu bewirken?

Ich habe die Hoffnung, dass wir alle Miteinander mehr und mehr realisieren, dass Klimaschutz keinen Verzicht bedeutet, sondern einen Gewinn. Ein Zurückerobern und Bewahren unserer Lebensgrundlage – auch für künftige Generationen. Und was könnte es für einen größeren Gewinn geben? Dazu müssen aber natürlich auch die politischen Gegebenheiten geschaffen werden. Wir müssen mit der Energiewende vorankommen. Wir brauchen weniger Fleischkonsum. Wir brauchen eine Politik, die bei gewissen Maßnahmen die Prioritäten klar vor Augen hat. Und Hoffnung brauchen wir so oder so. Und die können wir auch haben.

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