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Wir fragten Harald Weiß, Leiter der Abteilung Kommunikation bei GAiN (Global Aid Network gGmbH), einem weltweit arbeitenden humanitärem Hilfswerk mit Sitz in Gießen.   

Wie muss man sein, um bei einem Hilfswerk arbeiten zu können? Was hast du bei einem Hilfswerk verloren?

„Eigentlich bin ich ganz anders, ich komme nur so selten dazu“. Dieses Zitat des Schriftstellers Ödon von Horváth, beschreibt mich und viele andere wohl ganz gut. In meinem Herzen bin ich eigentlich ein Künstler, Schauspieler, Darsteller. Seit ich mit fünf Jahren das erste Mal im Theater war, faszinieren mich die Bretter, die die Welt bedeuten. Außer zum Gastgeber von Kultursendungen im Spartenprogramm eines kirchlichen Radio- und Fernsehsenders habe ich es immerhin zum Statisten beim Theater und an der Oper gebracht und durfte sogar im Bürgerchor bei Romeo und Julia schon einige Sätze trällern. Hauptberuflich bin ich schließlich dann nicht im Rampenlicht, sondern in der Kommunikations- und Marketingabteilung eines Hilfswerkes gelandet. Und das ist auch gut so. Wo sonst könnte meine Arbeit nachhaltig so viel Gutes bewirken, Menschen berühren, ihre Herzen bewegen. Im Theater werden gute Geschichten erzählt. Ich erzähle auch Geschichten. Von Menschen, deren Leben wieder Hoffnung bekommen hat.

Bist du ein Gutmensch?

Dieses Wort ist ein Unwort. Spätestens seit es 2015 dazu gekürt wurde. Seitdem scheint es in der Schimpfwort-Ecke angekommen zu sein. Was wäre die Alternative? Angenommen, ich möchte mich nicht als Gutmensch etikettieren lassen. Bin ich dann das Gegenteil? Ein Schlechtmensch? Das mag ich nicht sein. Da bin ich lieber einer, der gerne Gutes tut.

Glaubst du, dass wir die Welt verbessern können? Und wie?

Na, vielleicht nicht die Welt, aber die Welt einzelner. Etwa in Armenien. Seit ich das erste Mal vor Ort war, liebe ich dieses Land. Der 6-jährige Karen lebt mit zwei Brüdern und seinen Eltern in einem kleinen unfertigen Haus. Alle vier Familienmitglieder sind krank. Karens Bruder bastelte an einer Batterie, diese explodierte. Die Splitter verletzten ihn so schwer, dass er mehrmals operiert werden musste. Karen hat schweres Asthma. Die Familie ist verzweifelt. Ein Patenschaftsprogramm für Familien kann helfen und langsam neue Hoffnung geben. Hoffnung verändert alles.

Wie willst du ganz persönlich leben, worauf kommt es dir an?

„Gießen gemeinsam gestalten“ lese ich auf einem Wahlplakat, das gegenüber meinem Bürofenster an einer Straßenlaterne hängt. Dazu fällt mir schon wieder ein Zitat ein. Von Lion Feuchtwanger, einem meiner Liebingsautoren: „Im Übrigen lebte die Stadt sich selber, ein lautes, ungeniertes Leben im Fleisch und im Gemüt. Sie war zufrieden mit sich. Ihr Wahlspruch war: bauen, brauen, sauen.“ Ich denke, das ist auch heute unser Problem. Wir drehen uns zu sehr um uns. Aber wenn ich bei Feuchtwanger weiterlese, finde ich auch das:

„Fairness ist die Bereitschaft, in gewissen Fällen mehr zu geben, als man verpflichtet ist und weniger zu nehmen, als man berechtigt ist.“ So könnte es gehen. Ja, so möchte ich leben.

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