Seit ihrer Jugend engagiert sich Gudrun Witty im THW. In ihrem Ortsverband in Eichstätt übernahm sie 17 Jahre lang Verantwortung für Junghelferinnen und Junghelfer. Für ihr Engagement erhielt sie nun gemeinsam mit dem THW-Helfer Kai Rölecke das Bundesverdienstkreuz. Im Interview spricht sie über besonders prägende Einsätze und den Stellenwert des Ehrenamts in Deutschland.

Gudrun Witty
Ehrenamtliche THW-Helferin
Gudrun, du engagierst dich mittlerweile seit über 20 Jahren im THW. Wieso hast du dich damals für ein Ehrenamt im THW entschieden?
Tatsächlich war das eher eine traurige Geschichte. Mein großer Bruder ist damals ins THW gegangen, als noch die Wehrpflicht galt, zur Bundeswehr wollte er nicht. Kurz nachdem er die Grundausbildung abgeschlossen hatte, kam er bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Mein kleiner Bruder und ich haben dann quasi sein THW-Erbe angetreten und sind gemeinsam eingetreten – und lange dabeigeblieben. Ich bin dann erstmal in der Jugend mitgelaufen und habe 2004 die Grundausbildung absolviert, da war ich 19 Jahre alt. Meine erste Station war als Helferin in der Fachgruppe Infrastruktur, später übernahm ich als Jugendbetreuerin. Ich kenne viele, die als neun- oder zehnjährige Steppkes bei uns angefangen haben und heute noch als Erwachsene dabei sind.
Neben deiner Jugendarbeit hast du auch als Einsatzkraft zahlreiche Einsätze im Inland und im Ausland erlebt. Welcher davon ist dir besonders stark im Gedächtnis geblieben?
Wir haben jahrelang Hilfsgütertransporte nach Rumänien organisiert. Das war eine Kooperation zwischen der THW-Helfervereinigung Eichstätt, dem THW und einem Verein aus dem Landkreis, der eine Region in Rumänien unterstützt. Da haben wir jährlich – in Summe waren es 19 oder 20 – Hilfsgütertransporte organisiert. Das THW hat die Fahrzeuge bereitgestellt.
Gefüllt haben wir sie anfangs aus den Lagern des Rumänien-Hilfevereins. Später haben wir selbst viel gesammelt und ausrangierte Möbel oder zum Beispiel Schultafeln abgeholt. Im Klinikum in Ingolstadt haben wir mal Pflegebetten aufgeladen. Zwei- oder dreimal bin ich selbst bei den Transporten mitgefahren.
Hat das deinen Blick auf das Leben in Deutschland verändert?
Nach der Rückkehr hat man einen anderen Blick auf die Dinge. Wir können ganz schön dankbar sein, auch wenn wir immer viel schimpfen. So schlecht geht es uns nicht. Wir haben ein funktionierendes Sozialsystem, in dem man sich gut aufgehoben fühlen kann.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat dir und deinem Berliner Kameraden Kai Rölecke zum Tag der Deutschen Einheit das Bundesverdienstkreuz verliehen. Wie schlimm war die Aufregung am Tag der Ehrung?
Tatsächlich war ich nicht wirklich aufgeregt. Ich muss Nerven gehabt haben wie Drahtseile! Allerdings ist mir bei der Verleihung aufgefallen, dass viele gar nicht gelächelt haben. Da habe ich mir selbst gesagt: „Gudrun, du machst das jetzt anders. Du gehst nach vorn und strahlst den Präsidenten an.“ Mir war wichtig, dass er merkt, wie sehr ich mich freue. Es ist eine schöne Anerkennung.

Gudrun Witty bei der Verleihung des Verdienstkreuzes im Schloss Bellevue ©THW/Jan Holste
Dein Ortsbeauftragter hat dich für das Verdienstkreuz vorgeschlagen – mit Erfolg. Hättest du damit gerechnet?
Als ich davon erfahren habe, habe ich meinem Ortsbeauftragten geschrieben: Du spinnst ja wohl! Klar, ich bin jetzt über 20 Jahre dabei und hatte 17 Jahre lang eine Führungsposition als Jugendbetreuerin. Aber am Ende bin ich auch nur ein Zahnrädchen im Getriebe des THW. Da fallen mir direkt zehn andere ein, die es genauso verdient hätten wie ich, falls ich es überhaupt verdient habe. Ich habe das Bundesverdienstkreuz für den ganzen Ortsverband angenommen. Jetzt ist es sozusagen „unser“ Orden.
Was bedeutet es für dich konkret, soziale Verantwortung zu übernehmen?
Ich finde, dass wir alle Verantwortung für unsere Mitmenschen tragen. Wir alle sind ein Teil dieser Gesellschaft und können selbst dazu beitragen, dass wir gern darin leben. Wenn jeder nur seins macht und nicht über den Tellerrand hinausblickt, dann wird es ganz schön arm. Deshalb sollte man nicht nur auf sich selbst schauen, sondern einander helfen und füreinander Verantwortung übernehmen. Mal im Großen, mal im Kleinen. Das muss nicht gleich ein Ehrenamt sein, sondern kann auch heißen, dass man einer älteren Dame über die Straße hilft. Wenn jeder etwas für andere macht, dann macht das auch insgesamt die Welt besser. Engagement ist anstrengend – machen wir uns nichts vor. Aber man kriegt auch wahnsinnig viel zurück.

Jetzt ehrenamtlich beim THW mitmachen!
Mehr Informationen auf der Website: