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RECYCLING & RESSOURCEN

„Die Ozeane sind die Lunge unseres Planeten“

Foto: Pierre Bouras

Vor zwei Jahren rückte der deutsche Segler Boris Herrmann in den Fokus der Weltöffentlichkeit, als er mit der Klimaaktivistin Greta Thunberg über den Atlantik segelte. Danach hat er auf seiner Hightech-Jacht „Seaexplorer“ ein Minilabor installiert – und überträgt während seiner Rennen Informationen an Ozeanforscher. Die Daten helfen, Klimamodelle zu verbessern. Warum ihm dieses Thema so am Herzen liegt und was jeder Einzelne tun kann, um das Morgen zu verbessern, darüber spricht er im Interview.

Als Offshore-Segler haben Sie sicher ein anderes Verhältnis zum Meer als die meisten von uns. Unterschätzen wir die Bedeutung und die kritische Situation unserer Ozeane?

Ja, denn der breiten Öffentlichkeit ist die Rolle der Ozeane nicht klar. Viele Wissenschaftler bekommen nicht die Plattform, um die Tragweite zu verdeutlichen, welchen großen Einfluss die Ozeane auf die Erde und somit auf unser aller Leben haben.

Bitte gehen Sie näher darauf ein.

Die Ozeane sind eine Art Klimaanlage der Erde. Die Vorgänge in den Ozeanen sind sehr viel gewaltiger als in der Atmosphäre. Sie haben eine viel höhere Energiedichte, bedecken über 70 Prozent der Erdoberfläche und speichern das meiste CO2 und bei Weitem die meiste Wärmeenergie. Die Veränderungen sind sehr langsam in Ozeanen, bis das CO2 in die Tiefen gedrungen ist und vermischt wird, dauert es über 100 Jahre. Das bedeutet im Umkehrschluss: Selbst wenn wir sofort aufhören würden, CO2 zu emittieren, laufen die Prozesse dort trotzdem weiter. Das Thema Klimawandel wird einfach stark unterschätzt, weil viele es nur mit der Ozonschicht in Zusammenhang bringen und denken, dass es da vielleicht irgendwann Filtermöglichkeiten geben wird. Das mag stimmen, doch die Ozeane kann man nicht filtern.

Woran liegt dieses Unwissen über die Bedeutung der Ozeane für unsere Zukunft?

Die meisten Menschen stehen mit dem Rücken zu den Meeren. Die meisten essen zwar gerne Fisch, doch sonst verbindet uns Deutsche mit dem Meer nicht viel. So richtig dem Meer zugewandt ist keine einzige deutsche große Stadt. Historisch gesehen war das Meer für die Menschen immer eher eine Bedrohung. Doch dass die Ozeane die Lunge unseres Planeten sind und der eigentliche Dreh- und Angelpunkt des Erdklimasystems, ist den wenigstens bewusst.

Was sind die größten Bedrohungen für die Ozeane?

Der Klimawandel, also das Verbrennen fossiler Brennstoffe, die Plastikproblematik und die Überfischung. Ich möchte nichts davon schmälern, doch der Klimawandel ist die größte Bedrohung unter den Bedrohungen. Und das treibt mich auch am meisten um. Hier muss etwas geschehen.

Um dies zu realisieren, sind Sie in mehreren Initiativen für eine nachhaltigere Zukunft involviert. Was ist Ihre Motivation hinter diesem Engagement?

Ich habe vor ein paar Jahren auch sehr wenig über die Ozeane gewusst und finde es sehr spannend ständig dazuzulernen. Was ich heute weiß: Ozeanschutz heißt für mich Klimawandel verhindern. Wir arbeiten mit Wissenschaftlern zusammen und tragen zum wissenschaftlichen Verständnis bei, indem wir Daten liefern, die ausgewertet werden können und zu neuen Erkenntnissen führen, die für uns alle von großer Wichtigkeit sind. Ein weiteres Anliegen ist, die Zusammenhänge mehr in die Öffentlichkeit zu bringen – das beginnt schon in der Schule. Zusammen mit meiner Frau Birte, die Lehrerin war, habe ich beispielsweise die „My Ocean Challenge“ in Leben gerufen. Ein Schulprojekt, das das Ozeanthemen ins Klassenzimmer bringen soll. Dies gibt es in zehn Sprachen und wird bereits in vielen Schulen und Institutionen genutzt. Das Programm ist darauf ausgerichtet, zu erklären, was der Ozean mit der Atmosphäre zu tun hat und was jeder gegen seine Bedrohung tun kann.

Was können Unternehmen tun, die unsere Ozeane stärken und sich für unser Klima einsetzen wollen?

Regenerativer Strom, weniger fliegen, weniger Konsum, weniger Papierverbrauch, Licht ausmachen, energiesparende Bürogebäude. Zusammengenommen sind es viele kleine Schritte, die vielleicht etwas anekdotisch wirken, die jedoch am Ende den Unterschied machen. Denn wir sind so viele Menschen auf dieser Erde, und wenn wir alle kleine Schritte gehen, hat das eine große Wirkung. Das Wichtigste dabei ist, das Prozessdenken und damit einen Wandel zu befördern. Hier geht es nicht um Perfektion, sondern um Umdenken und Aufbauen von Ambitionen zum Thema Klimawandel und Nachhaltigkeit. Das ist es auch, was wir, zusammen mit unseren Partnern, promoten wollen.

Abschließend noch ein Blick in die Zukunft: Was, glauben Sie, können wir in den nächsten zehn Jahren erreichen?

Rein physikalisch gesehen könnten wir in zehn Jahren klimaneutral werden. Davon bin ich fest überzeugt. Meine Vision wäre, dass man die Subsahara für Solarenergie nutzt, mit diesem Solarstrom grünen Wasserstoff herstellt, aus dem Wasserstoff synthetische Treibstoffe herstellt, die man ganz normal mit Frachtschiffen transportieren kann und unsere Ökonomie mit synthetischen, klimaneutralen Treibstoffen so weiter befeuern, wie sie ist. Was ich mir schwierig vorstelle ist, wenn man alles von Grund auf ändern muss. Wir werden weiter Straßen, Flugzeuge, Autos, Züge, Frachtschiffe haben und brauchen deshalb aus meiner Sicht alternative Treibstoffe, die es schon gibt. Das müsste auf Faktor 1.000 hochskaliert werden. Das könnte man machen. Man könnte ja auch die Passatzone im Atlantik mit Offshore-Windanlagen versehen. Man kann den halben Atlantik vollmachen mit schwimmenden Offshore-Anlagen, die Wasserstoff erzeugen, wo Tankschiffe vorbeikommen. Man muss jetzt nicht die ganze Landschaft damit verschandeln, sondern kann die Zonen der Erde nutzen, wo sehr viel Energie ist – das würde absolut ausreichen. Und da sind wir wieder beim Thema Ozeane. Man sollte diese schützen und nutzen – für ein besseres Morgen!

Sie möchten mehr erfahren?

Weitere Informationen unter: borisherrmannracing.com.

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